Urteil Schallschutzvorkehrungen Wintergarten Spitzboden 52-501-2018-07

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Leitsatz

Aktenzeichen:

OVG 6 A 13.17

Oberverwaltungsgericht

Berlin-Brandenburg

6. Senat
Datum: 03. Juli 2018
Quelle: © juris GmbH

Schallschutzvorkehrungen für einen Wintergarten und ein Kinderzimmer im Spitzboden eines Wohnhauses

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, bei der schalltechnischen Objektbeurteilung und der Umsetzung des Schallschutzkonzepts nach den planfestgestellten Lärmschutzauflagen in A II Ziffer 5.1.2 und Ziffer 5.1.3 des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Flughafens Berlin Schönefeld vom 13. August 2004 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 in der derzeitigen gültigen Fassung baulichen Schallschutz auch für den Wintergarten und das Kinderzimmer im Dachgeschoss im Wohngebäude P... vorzusehen und den Klägern die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen mitzuteilen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks P..., das in dem für den Flughafen Berlin Brandenburg (BER) festgesetzten Tag- und Nachtschutzgebiet liegt. Das Grundstück ist mit einem ca. 1942 errichteten Einfamilienhaus bebaut, an das im Jahr 2004 ein Wintergarten angebaut wurde.

Die Kläger beantragten im Jahr 2009 Schallschutzmaßnahmen nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses. Das auf der Grundlage einer Schalltechnischen Objektbeurteilung (Anspruchsermittlung - ASE -) vom 17. Juni 2014 erstellte Kostenerstattungsangebot (Leistungsverzeichnis) der Beklagten vom 22. August 2014 sieht einen Erstattungsbetrag in Höhe von 10.386,82 EUR für Schallschutzmaßnahmen in fünf Räumen vor, ohne den Wintergarten und das Kinderzimmer im Dachgeschoss zu berücksichtigen. Die Kläger waren mit dieser Ausgleichsmaßnahme nicht einverstanden und lehnten den ihnen angebotenen Abschluss einer Kostenerstattungsvereinbarung ab.

Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, dass ihnen ein Anspruch auf Schallschutz auch für den Wintergarten und das Kinderzimmer im Dachgeschoss zustehe. Bei dem 38 m² großen Wintergarten handele es sich um einen Wohnraum im Sinne der planfestgestellten Lärmschutzauflage. Der Wintergarten sei im Jahr 2002 genehmigt worden. Er grenze als Anbau über die hälftige Gebäudebreite direkt an die vorhandenen Wohnräume im Südwesten an und sei an die Gebäudeheizung angeschlossen. Der Wintergarten verfüge über eine ausreichende lichte Raumhöhe von durchschnittlich 2,40 m. Dass an einigen Stellen lediglich eine Raumhöhe von 2,16 m bestehe, sei unerheblich. Bei Dachschrägen würden die Höhen gemittelt. Die Dachkonstruktion bestehe aus einer hochwertigen Trägerkonstruktion mit thermischer Entkoppelung, so dass ausreichend Wärmeschutz gegeben sei. Der Wintergarten sei der zentrale Wohnraum des Hauses, zumal die übrigen Räume klein seien. Nach den Angaben im Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung handele es sich um eine zusätzliche Wohnfläche. Die Kostenrechnung zur Baugenehmigung sei auf der Grundlage der Berechnung von Wohnraum erfolgt. Für die Errichtung des Wintergartens sei ihnen eine Eigenheimzulage gewährt worden. Auch nach den Vollzugshinweisen der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg (LuBB) vom 14. September 2017 (dort S. 3) sei der Wintergarten vom Schutzanspruch erfasst. Die Beklagte könne sich daher im Klageverfahren nicht darauf berufen, Wintergärten seien generell nicht anspruchsberechtigt. Dass sie den Wintergarten in dem Schallschutzantrag als Büroanbau bezeichnet hätten, sei darauf zurückzuführen, dass sie zum damaligen Zeitpunkt einen Umbau des Wintergartens in ein Büro geplant hätten. Dazu sei es jedoch nicht gekommen. Im Übrigen wäre auch ein Büroraum anspruchsberechtigt gewesen. Aus der Stellungnahme des Architektur- und Ingenieurbüros S... vom 12. März 2018 gehe hervor, dass der Wintergarten sämtlichen zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung geltenden Anforderungen an Aufenthaltsräume entsprochen habe. Auch das in den 1980er Jahren im Spitzboden ausgebaute Kinderzimmer sei anspruchsberechtigt. Es weise an der höchsten Stelle eine lichte Raumhöhe von 2,20 m auf. Diese werde bei Abzug der im gesamten Dachraum vorhandenen Holzvertäfelung und des Fußbodenaufbaus ohne weiteres erreicht. Es treffe nicht zu, dass eine lichte Raumhöhe nur auf einer Breite von 10 cm erreicht werde. Der Ausbau habe keiner Genehmigung bedurft und sei von weiteren bauordnungsrechtlichen Vorgaben freigestellt gewesen. Selbst wenn der Ausbau nur unter Beachtung der Vorgaben des damaligen Bauordnungsrechts hätte erfolgen dürfen, bestehe Bestandsschutz nach Maßgabe der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, bei der schalltechnischen Objektbeurteilung und der Umsetzung des Schallschutzkonzepts nach den planfestgestellten Lärmschutzauflagen in A II Ziffer 5.1.2 und Ziffer 5.1.3 des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Flughafens Berlin Schönefeld vom 13. August 2004 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 in der derzeitigen gültigen Fassung baulichen Schallschutz auch für den Wintergarten und das Kinderzimmer im Dachgeschoss im Wohngebäude P... vorzusehen und den Klägern die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen mitzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Wintergarten und das Zimmer im Dachgeschoss seien keine schutzbedürftigen Wohn- bzw. Schlafräume. Ob ein Raum zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sei, richte sich nach der Baugenehmigung bzw. den Angaben in den Bauvorlagen. Allein die Bezeichnung in den Bauvorlagen führe jedoch noch nicht zum Vorliegen eines Wohn- bzw. Aufenthaltsraums, wenn die objektive Eignung für einen Aufenthaltsraum nicht gegeben sei und der Genehmigungsbescheid die Nutzung nicht ausnahmsweise gestatte. Nach dem im Planfeststellungsbeschluss genannten Stichtag oder nach der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses eingetretene Rechtsänderungen, die die materielle Rechtmäßigkeit der Wohnnutzung erstmals begründeten, rechtfertigten wegen der Bestandskraft und aus Gründen des Vertrauensschutzes keine Anspruchsberechtigung. Diese Beschränkung der Schutzansprüche sei mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch gerechtfertigt, da die Beklagte durch den Planfeststellungsbeschluss nur zu Schallschutzmaßnahmen an formell oder zumindest materiell rechtmäßig genutzten Wohnräumen verpflichtet würde. Auf die behauptete tatsächliche Nutzung des Wintergartens als zentraler Wohnraum des Hauses komme es nicht an. Im Übrigen hätten die Kläger in ihrem Antrag auf Schallschutzvorrichtungen vom 6. März 2009 den Wintergarten als Büroanbau angegeben. Es komme auch nicht auf die Beheizbarkeit des Wintergartens an, die überdies weder im Bauantrag angegeben noch genehmigt worden sei. Unabhängig davon fehle dem Wintergarten aufgrund seiner Bauweise die Eignung als schutzbedürftiger Wohnraum. Ein Anspruch auf geeignete Schallschutzvorrichtungen könne nicht bestehen, wenn diese letztlich zum Verlust der ursprünglichen Identität des Gebäudeteils führten. Wintergärten könnten allenfalls dann anspruchsberechtigt sein, wenn die eingesetzten Außenbauteile über ein Schalldämmmaß verfügten, das mit demjenigen gewöhnlicher Wohnräume zumindest vergleichbar sei. Die derzeitige Konstruktion des Wintergartens sei für eine 3fach-Schallschutzverglasung nicht geeignet. Die grundlegende Sanierung von Umfassungsbauteilen oder der hier erforderliche vollständige Abriss und die Neuerrichtung des Anbaus gingen über den „Einbau geeigneter Schallschutzeinrichtungen“ deutlich hinaus. Die Planfeststellungsbehörde sei nicht von Räumen ausgegangen, die überwiegend aus Wärmeschutzglas mit einer Stärke von 24 mm bestünden, sondern von Außenbauteilen von in der Regel über 50 dB mit dem üblichen Fensterflächenanteil. Es fehle daher bereits an einem Primäranspruch. Der Entschädigungsanspruch gelte nicht für Räume, in denen die Schutzziele aufgrund ihrer Bauweise von vornherein nicht erreicht werden könnten. Entgegen der Darstellung der Kläger sei weder den vorgelegten Unterlagen noch dem Antrag auf Schallschutzeinrichtungen zu entnehmen, dass eine Wohnnutzung des Wintergartens beantragt oder genehmigt worden sei. Die Baugenehmigung nehme lediglich Bezug auf das Vorhaben „Anbau eines Wintergartens entsprechend den beigefügten und als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen“, denen wiederum keine Aussagen zur vorgesehenen Nutzung zu entnehmen seien. Soweit nach der Stellungnahme des Architektur- und Ingenieurbüros S... vom 12. März 2018 der Wintergartenanbau für die Wohnnutzung errichtet worden sei, stehe dies im Widerspruch zu den Bauvorlagen. Der Raum im Dachgeschoss entspreche nicht den Mindestanforderungen an die lichte Raumhöhe für Aufenthaltsräume, die nach den seit dem Ausbau geltenden Bauordnungen für Dachgeschossräume 2,20 m betrage. Nach dem Protokoll der Ortsbesichtigung vom 22. Januar 2014 betrage die maximale Raumhöhe nur 2,08 m. Auch wenn es darauf nicht ankomme, wäre eine Wohnnutzung des Dachzimmers auch nach der aktuell geltenden Bauordnung nicht genehmigungsfähig. Nach der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5 BbgBO sei eine Raumhöhe von 2 m erforderlich, um ein Betreten durch Menschen in aufrechter Haltung zu ermöglichen (LT-Drs. 6/3268 S. 43). Dies sei in dem Dachzimmer nur auf einer sehr geringen Fläche mit einer Breite von weniger als 10 cm gegeben. Ein Bauantrag sei für den Ausbau und die Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken nie gestellt worden. Der Ausbau sei auch nach DDR-Recht nicht genehmigungsfrei gewesen, sondern habe die Einhaltung der weiteren Anforderungen der Deutschen Bauordnung der DDR vorausgesetzt. Für die Bestimmung der lichten Raumhöhe seien nicht die vorhandene Holzvertäfelung und der Fußbodenaufbau abzuziehen. Die Kläger könnten sich nicht mit Erfolg auf Bestandsschutz nach Maßgabe der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und die beigezogenen Unterlagen der Beklagten zum Schallschutzantrag der Kläger verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

  1. Die Kläger sind insbesondere klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Die planfestgestellten Lärmschutzauflagen begründen einen Anspruch des betroffenen Eigentümers gegenüber der Vorhabenträgerin. Diese wird durch die Schutzauflagen verpflichtet, die angeordneten Schutzmaßnahmen zu erfüllen, indem sie die Schallschutzeinrichtungen selbst einbauen lässt oder dem Betroffenen auf Nachweis die Aufwendungen für den Einbau der erforderlichen Schutzeinrichtungen erstattet (vgl. Teil A II 5.1.7 Nr. 1, S. 108 des Planfeststellungsbeschlusses für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 - PFB - in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 - PEB). Die Kläger möchten im vorliegenden Verfahren geklärt wissen, ob für einzelne Räume ihres Wohnhauses ein Anspruch auf Schallschutzvorkehrungen besteht. Hierzu begehren sie eine neue Anspruchsermittlung unter Einbeziehung des Wintergarten und des Kinderzimmers im Spitzboden ihres Wohnhauses.
  2. Den Klägern steht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, da im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits eine Entscheidung der Beklagten über ihren Antrag auf Kostenerstattung in Gestalt einer Anspruchsermittlung und einem darauf basierenden Kostenerstattungsangebot vorgelegen hat.

II. Die Klage ist begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schallschutzmaßnahmen für den Wintergarten (1.) und das Kinderzimmer im Dachgeschoss (2.).

Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen ergibt sich aus den planfestgestellten Lärmschutzauflagen. Nach der Lärmschutzauflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 PFB (S. 105 f.) sind für Wohnräume, Büroräume, Praxisräume und sonstige nicht nur vorübergehend betrieblich genutzte Räume in der Umgebung des Flughafens geeignete Schallschutzvorrichtungen vorzusehen. Die Vorrichtungen haben am Tag zu gewährleisten, dass durch die An- und Abflüge am Flughafen im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern keine höheren A-bewerteten Maximalpegel als 55 dB(A) auftreten. Innerhalb des Tagschutzgebietes haben die Träger des Vorhabens auf Antrag des Eigentümers eines Grundstücks, das am 15.05.2000 bebaut oder bebaubar war, für geeignete Schallschutzvorrichtungen an den Räumen Sorge zu tragen.

Zur Gewährleistung des Nachtschutzes sieht der Planergänzungsbeschluss in Teil A II Ziffer 5.1.3 PEB (S. 19) vor, dass für Schlafräume einschließlich der Übernachtungsräume in Beherbergungsstätten in der Umgebung des Flughafens geeignete Schallschutzvorrichtungen vorzusehen sind. Die Vorrichtungen haben zu gewährleisten, dass durch An- und Abflüge am Flughafen im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern und ausreichender Belüftung in der Durchschnittsnacht der sechs verkehrsreichsten Monate nicht mehr als sechs A-bewertete Maximalpegel über 55 dB(A) auftreten und ein für die Nachtstunden (22:00 bis 06:00 Uhr) der sechs verkehrsreichsten Monate ermittelter energieäquivalenter Dauerschallpegel von 35 dB(A) nicht überschritten wird. Innerhalb des Nachtschutzgebietes haben die Träger des Vorhabens auf Antrag des Eigentümers eines Grundstückes, das am 15.05.2000 bebaut oder bebaubar war, für geeignete Schallschutzvorrichtungen einschließlich geeigneter Belüftung an den Räumen Sorge zu tragen. Die Schutzauflagen geben demnach das Schutzniveau vor, das der Einhaltung der Schutzziele – dem Kommunikationsschutz am Tag und der Nachtruhe in der Nacht – dient.

1. Bei dem Wintergarten handelt es sich um einen schützenswerte Wohnraum im Sinne der Schallschutzauflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 PFB (Tagschutz).

a) Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses zählen zu den Wohnräumen alle Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind und die am 15.05.2000 in bereits errichteten Gebäuden liegen oder auf zu diesem Zeitpunkt bebaubaren Grundstücken in Gebäuden errichtet werden. Der genannte Stichtag 15.05.2000 wurde im Hinblick auf das Datum des Beginns der ersten Auslegung der Planfeststellungsunterlagen festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt konnte jeder Betroffene die Auswirkungen des Vorhabens erkennen (Teil C Ziffer 10.1.8.3.1 PFB S. 655 f.).

b) Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass der Wintergarten der Kläger bereits aufgrund seiner Bauweise kein schutzbedürftiger Wohnraum sein könne, ist dem nicht zu folgen.

Zwar mag es zutreffen, dass die derzeitige Konstruktion des Wintergartens für die Anbringung einer 3fach-Schallschutzverglasung nicht geeignet ist, so dass es einer umfassenden Sanierung der Umfassungsbauteile oder einer Neuerrichtung des Anbaus bedürfte. Die Annahme der Planfeststellungsbehörde, dass die Umsetzung der geforderten Schallschutzmaßnahmen jedenfalls bei Werten unterhalb der maximalen Außenschallpegel von Lmax = 95 dB(A) von der Bausubstanz her gesehen keinen technischen Hindernissen begegnet (Teil C II Ziffer 10.18.5 PFB S. 666), gilt daher wohl nicht für den Wintergarten der Kläger. Dies führt aber entgegen der Annahme der Beklagten nicht dazu, dass der Wintergarten von einer Anspruchsberechtigung ausgenommen ist. Die Planfeststellungsbehörde hat für die Fälle eine Regelung getroffen, in denen aufgrund der schlechten Bausubstanz der Einbau von Schallschutzfenstern nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Lärmsituation in Innenräumen führt und daher die Durchführung von Schallschutzmaßnahen erfolglos oder unter Kostengesichtspunkten unverhältnismäßig sein kann. In diesen Fällen ist eine angemessene Entschädigung in Geld, die sich an dem o. g. Verkehrswert orientiert, zu zahlen (PFB S. 667). Nach Teil A II Ziffer 5.1.7 Nr. 2 PFB (S. 108) hat der Betroffene gegenüber den Trägern des Vorhabens einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 30 % des o. g. Verkehrswertes, wenn die Kosten für Schallschutzeinrichtungen im Sinne der Auflagen 5.1.2 und 5.1.3 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen überschreiten und damit außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen. Die Vorhabenträgerin wird durch die Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes vor unverhältnismäßigen Schallschutzmaßnahmen geschützt. Der Geldausgleich ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen. Mit Hilfe der Kappungsgrenze wird verhindert, dass die Entschädigung dazu genutzt wird, die Bausubstanz eines Bauwerks, das sich in einem schlechten Zustand befindet, durch Verbesserungen an den verschiedensten Umfassungsbauteilen so nachhaltig zu verändern, dass das Gebäude seine ursprüngliche Identität verliert (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 422). Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Rechtsprechung, wonach die Entschädigungsklausel in Teil A II Ziffer 5.1.7 PFB nicht zu beanstanden ist, ausdrücklich auf Wintergärten übertragen, die sich durch eine typische Bauweise auszeichnen, bei der das für Wohngebäude im Übrigen maßgebliche Schalldämmmaß weder angestrebt noch erreicht wird und deren bauliche Verstärkung nicht ohne weiteres möglich ist oder auf einen Neubau des entsprechenden Gebäudeteils hinausläuft (vgl. Gerichtsbescheid vom 31. August 2009 - 4 A 1008/07 u.a. - juris Rn. 22). Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen, dass derartige Wintergärten von vornherein nicht anspruchsberechtigt seien.

Soweit für einen im Einklang mit dem Bauordnungsrecht errichteten Wintergarten die Nutzung zu Wohnzwecken genehmigt worden ist oder genehmigungsfähig wäre, handelt es sich um einen schützenswerten Wohnraum im Sinne der planfestgestellten Lärmschutzauflagen. Überschreiten die Kosten für Schallschutzeinrichtungen für alle zu schützenden Räume des Gebäudes einschließlich eines Wintergartens jedoch die Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes, wandelt sich der Anspruch auf passive Schallschutzvorkehrungen in einen Entschädigungsanspruch nach Teil A II 5.1.7 Nr. 2 PFB. In diesen Fällen müssen sich die Betroffenen daher von der Beklagten nicht auf eine freiwillige Entschädigung nach dem „Modul Wintergärten“ in Höhe von 150 EUR pro Quadratmeter verweisen lassen. Dies entspricht im Übrigen auch den Vollzugshinweisen der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg vom 14. September 2017 (dort S. 3 f.), wonach ein Wintergarten ein vom Schutzanspruch erfasster Raum sei, wenn er in baurechtskonformer Weise genutzt werde und hierfür eine entsprechende Genehmigung vorliege. Die Vollzugshinweise bedürfen allerdings insoweit der Ergänzung, dass es in Fällen, in denen eine Genehmigung zur Wohnnutzung nicht vorliegt, ausreicht, wenn die Nutzung des Wintergartens zu Wohnzwecken im Zeitpunkt der Geltendmachung des Schallschutzanspruchs genehmigungsfähig ist.

c) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dem Wintergarten der Kläger die objektive Eignung für einen Aufenthaltsraum fehle, da er die im Zeitpunkt der Errichtung im Jahr 2004 bzw. der Geltendmachung des Anspruchs auf Schallschutz im Jahr 2009 bauordnungsrechtlich vorgesehene lichte Raumhöhe von 2,40 m nicht einhalte.

aa) Nach Teil A II Ziffer 5.1.7 Nr. 7 PFB (S. 109) entfällt die Verpflichtung zur Erfüllung der Lärmschutzauflagen, soweit das betroffene Gebäude zum Abriss bestimmt ist oder nur vorübergehend für die entsprechenden Zwecke genutzt wird oder das Grundstück zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr bebaubar und nicht mit einem rechtmäßig errichteten Gebäude bebaut ist.

Ob ein Gebäude rechtmäßig errichtet ist, richtet sich zunächst nach dem Inhalt der Baugenehmigung bzw. den dieser zugrunde liegenden Angaben in den Bauvorlagen. Dem entspricht die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses zum Tagschutz, wonach bei Gebäuden, die ohne die erforderliche Baugenehmigung und auch materiell baurechtswidrig errichtet wurden oder genutzt werden, kein Anspruch auf Durchführung von Schallschutzmaßnahmen oder Kostenerstattung besteht (Teil C Ziffer 10.1.8.3.1 PFB S. 656). Soweit die Schutzauflagen ihrem jeweiligen Schutzzweck entsprechend (tags: Kommunikationsschutz, nachts: Nachtruhe) auf einzelne Räume bezogen sind, die in der Nebenbestimmung der Teil A II Ziffer 5.1.7 Nr. 7 PFB enthaltene Regelung jedoch auf das gesamte Gebäude abstellt, dürfte dies dem Umstand geschuldet sein, dass eine Baugenehmigung in der Regel für das gesamte Gebäude erteilt wird. Die Regelung in Teil A II Ziffer 5.1.7 Nr. 7 PFB nimmt damit nicht nur Schwarzbauten insgesamt, sondern auch im Widerspruch zu bauordnungsrechtlichen Vorgaben errichtete und nicht genehmigte bzw. nicht genehmigungsfähige Räume aus der Verpflichtung der Vorhabenträgerin zur schalltechnischen Ertüchtigung aus.

bb) Die zwischen den Verfahrensbeteiligten umstrittenen Fragen, ob die für die Errichtung des Wintergartens erteilte Baugenehmigung vom 22. Juli 2002 eine Nutzung zu Wohnzwecken umfasst und ob der Wintergarten die in § 48 Abs. 1 Satz 1 BbgBO 1998 sowie § 40 Abs. 1 Satz 1 BbgBO 2008 vorgeschriebene lichte Raumhöhe von 2,40 m einhält, bedürfen keiner Entscheidung, da der in Rede stehende Wintergarten, selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, gegenwärtig jedenfalls nicht baurechtswidrig genutzt wird.

(1) Die Beurteilung, ob der Wintergarten materiell baurechtswidrig genutzt wird, beurteilt sich nach der aktuellen Brandenburgischen Bauordnung vom 19. Mai 2016 (BbgBO 2016). Danach gilt die für Aufenthaltsräume vorgegebene lichte Raumhöhe von 2,40 m nicht (mehr) für Aufenthaltsräume in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 sowie für Aufenthaltsräume im Dachraum (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBO 2016). Bei dem Wohnhaus der Kläger handelt es sich um ein Gebäude der Gebäudeklasse 1 im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe c) BbgBO 2016.

Nach der zutreffenden Auffassung der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg führt die neu gefasste Brandenburgische Bauordnung dazu, dass für den Bereich des Landes Brandenburg zu niedrige Raumhöhen in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 sowie für Räume im Dachraum nicht mehr als Ausschlusskriterium für die Gewährleistung von Schallschutz gelten (vgl. Vollzugshinweise vom 14. September 2017 S. 1). Dem steht nicht entgegen, dass die Auflage in Teil A II Ziffer 5.1.7 Nr. 7 PFB für die Beurteilung, ob ein Grundstück mit einem rechtmäßig errichteten Gebäude bebaut ist, auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs abstellt. Insoweit nimmt die Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg in ihren Vollzugshinweisen zu Recht an, dass die Betroffenen nach Inkrafttreten der neuen Bauordnung einen ergänzenden Schallschutzantrag stellen können, um Schallschutzmaßnahmen auch für solche Räume zu erhalten, die nach altem Bauordnungsrecht als bauordnungswidrig anzusehen sind. Nichts anderes kann gelten, wenn wie im vorliegenden Fall über einen Antrag auf Schallschutz noch nicht abschließend entschieden worden ist, weil dieser Gegenstand eines Klageverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht ist. Die betroffenen Grundstückseigentümer müssen sich in einem laufenden Antragsverfahren nicht darauf verweisen lassen, zunächst einen ergänzenden Schallschutzantrag zu stellen. Dem entspricht, dass die Planfeststellungsbehörde die Voraussetzung für einen Ausschluss des Schutzanspruchs, dass ein Gebäude, das ohne die erforderliche Baugenehmigung und auch materiell baurechtswidrig errichtet wurde, auch materiell baurechtswidrig genutzt werden muss, in der Gegenwartsform formuliert hat (PFB S. 656). Die Luftaufsichtsbehörde hat in ihren Vollzugshinweisen schließlich zutreffend ausgeführt, dass die Vorhabenträgerin im Schallschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses durch die in Teil A II Ziffer 5.1.7. Nr. 3 PFB geregelte Frist zur Geltendmachung von Schallschutzansprüchen von bis zu fünf Jahren nach Inbetriebnahme der Südbahn ausreichend geschützt ist, ab einem bestimmten Zeitpunkt keinen neuen Schallschutzansprüchen ausgesetzt zu sein (vgl. Vollzugshinweise vom 14. September 2017 S. 3).

(2) Die Beklagte kann die Baurechtskonformität des Wintergartens nicht mit der allgemein gehaltenen Behauptung in Frage stellen, es seien keine gebrauchstauglichen Materialien verwendet worden, zumal sie zweimal eine Bestandaufnahme des klägerischen Gebäudes hat durchführen lassen. Der Wintergarten erfüllt nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachbeistands der Kläger Dipl.-Ing. B... in der mündlichen Verhandlung ... auch die übrigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen für eine Wohnraumnutzung. Das gilt insbesondere für die verwendeten Baumaterialien und die Statik. Dem entspricht das von den Klägern vorgelegte Schreiben des Dipl.-Ing. S... vom 12. März 2018, in dem ebenfalls die Einhaltung der allgemeinen bauordnungsrechtlichen Anforderungen, des Brandschutzes, des Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutzes für Aufenthaltsräume und Wohnungen bestätigt wird.

Nach allem ist der Umstand, dass die Kläger in ihrem Schallschutzantrag den Wintergarten als Büro- und nicht als Wohnraum bezeichnet haben, nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen wäre nach der Lärmschutzauflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 PFB auch ein Büroraum anspruchsberechtigt.

2. Bei dem Kinderzimmer im Spitzboden handelt es sich um einen schützenswerten Wohn- bzw. Schlafraum im Sinne der Schallschutzauflagen in Teil A II Ziffer 5.1.2 (Tagschutz) und in Teil A II Ziffer 5.1.3 (Nachschutz).

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in dem Kinderzimmer, das nach dem Protokoll zur Bestandsaufnahme vom 22. Januar 2014 eine maximale eine Raumhöhe von 2,08 m aufweist, die im Zeitpunkt des Ausbaus des Dachgeschosses in den 1980er Jahren bauordnungsrechtlich vorgesehene lichte Raumhöhe von 2,20 m nicht eingehalten wird (vgl. § 366 Abs. 2 Deutschen Bauordnung - DBO - vom 2. Oktober 1958).

Die Beurteilung, ob das in den 1980er Jahren ohne die erforderliche Baugenehmigung in den Spitzboden des klägerischen Wohngebäudes eingebaute Kinderzimmer materiell baurechtswidrig genutzt wird, richtet sich ebenfalls nach der aktuellen Brandenburgischen Bauordnung vom 19. Mai 2016. Danach gelten für Aufenthaltsräume im Dachraum hinsichtlich der lichten Raumhöhe keine Vorgaben mehr (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBO 2016).

Soweit die Beklagte geltend macht, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5 BbgBO 2016 jedenfalls eine Raumhöhe von 2,00 m erforderlich sei, um ein Betreten durch Menschen in aufrechter Haltung zu ermöglichen (LT-Drs. 6/3268 S. 43), steht dies im vorliegenden Fall einer Anspruchsberechtigung nach den planfestgestellten Lärmschutzauflagen nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat die Festlegung von Mindesthöhen im Dachgeschoss mangels besonderer Schutzbedürftigkeit ausdrücklich nicht mehr für erforderlich gehalten. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 47 Abs. 1 BbgBO 2016 (LT-Drs. 6/3268 S. 67), wonach für Aufenthaltsräume im Dachgeschoss keine Mindesthöhen mehr vorgesehen würden, da insoweit keine besondere Schutzbedürftigkeit bestehe; eine differenzierte Regelung für den Dachgeschossausbau in bestehenden Gebäuden erscheine nicht gerechtfertigt. Soweit sich aus der Begründung zu § 2 Abs. 5 BbgBO 2016 ergibt, dass eine lichte Raumhöhe von 2 m für erforderlich gehalten wird, um ein Betreten des Raumes in aufrechter Haltung zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese als Mindesthöhe für Aufenthaltsräume im Dachraum vorzuschreiben. Eine Auslegung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BbgBO dahingehend, dass eine Mindestraumhöhe von 2,00 m gegeben sein muss, ist mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Norm und die Gesetzesbegründung zu § 47 BbgBauO 2016 ausgeschlossen. Die Frage, ob ein Dachraum, der von dem Betroffenen subjektiv als Aufenthaltsraum bestimmt wird (§ 2 Abs. 5 BbgBO 2016), jedoch nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht mehr als Aufenthaltsraum, sondern etwa als Kriechboden bezeichnet würde, ein schutzbedürftiger Aufenthaltsraum im Sinne der planfestgestellten Lärmschutzauflagen wäre, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Der Senat geht aufgrund der vorgelegten Lichtbildaufnahme davon aus, dass das Kinderzimmer im Spitzboden zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet ist. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass das Kinderzimmer nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keinen Aufenthaltsraum dargestellt. Selbst wenn man mit der Beklagten die Möglichkeit zum Betreten des Raumes in aufrechter Haltung verlangte, ist dieses Kriterium – soweit ersichtlich – zumindest über die gesamte Mitte des Raumes, die eine Breite von ca. 20 bis 30 cm aufweisen dürfte, erfüllt. Im Übrigen lässt sich der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5 BbgBO 2016 nicht entnehmen, dass ein aufrechter Gang in dem gesamten Raum möglich sein muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.


Originaldokumente

www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de Dokument MWRE180002562

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