TÜV fürchtet um BER-Sicherheit 81-115-2019-06

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Wortlaut

TÜV fürchtet um BER-Sicherheit,

weil falsche Dübel verbaut wurden

Kleine Anfrage 4571
im Landtag
von C.Schulze
Datum: 09. Mai 2019
Antwort J.Steinbach

TÜV fürchtet um BER-Sicherheit, weil falsche Dübel verbaut wurden

Die Hannoversche Allgemeine schreibt am 12.4.2019, dass die Pannenserie um den Hauptstadtflughafen BER nicht abreiße: Der TÜV Rheinland hätte, so schreibt die Zeitung, (mit Bezug auf den 23. Fortschrittsbericht des TÜV vom 8.3.2019), offenbar massive Bedenken geäußert und sieht den weiteren Terminplan stark gefährdet. Doch der FlughafenChef widerspricht. Der Zeitung zufolge käme ein Problem hinzu: Kabelbefestigungen mit Plastikdübeln, die einem Brand nicht standhalten könnten. So verdichteten sich Hinweise, dass die vom Flughafen erhoffte Einzelfallzulassung nicht erteilt werde. Schlimmstenfalls könnten die Dübel so „zu einem k.o.-Problem“ werden. Die FBB konterte, entscheidend sei nicht die Norm, sondern dass die Dübel sicher seien. Das Nachweisverfahren hierzu sei gerade in Arbeit.

In der BER-Sonderausschuss-Sitzung insinuierte der Finanzminister und stellv. Ministerpräsident, Herr Görke (Linkspartei), auf die Frage der Zugänglichmachung des 23. TÜVBerichtes an Abgeordnete, dass er den TÜV-Bericht und seine Inhalte, nicht öffentlich zugänglich machen würde, wenn er denn gefragt würde.

Bei der Beantwortung der Fragen wird deshalb vom Fragesteller explizit auf das unmittelbar geltende Recht, durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, LINK: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/11/es20171107_2bve000211.html , hingewiesen.

In den Leitsätzen zum Urteil des Zweiten Senats vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - ist normiert, dass der parlamentarische Informationsanspruch aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auf Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt ist. Synonym ist der Artikel 56 der Landesverfassung zu verstehen und anzuwenden.

Weiterhin legt das Bundesverfassungsgericht fest, dass das verfassungsrechtlich garantierte parlamentarische Frage- und Informationsrecht zwar Grenzen unterliege, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen. Vertraglich vereinbarte oder einfachgesetzliche Verschwiegenheitsregelungen (hier z.B. TÜV vs. FBB) sind für sich nicht geeignet, das Frage- und Informationsrecht zu beschränken.


Fragen

  1. Ist es überhaupt zulässig, Plastikdübel für sicherheitsrelevante Installationen zu verwenden?
  2. Gibt es überhaupt Plastikdübel am Markt (irgendein Produkt), die für die Befestigung von sicherheitsrelevanten Installationen zugelassen sind? Wenn ja welche?
  3. Gibt es DIN oder sonstige Vorschriften, die Nutzung, Verbauung von Plastikdübeln im sicherheitsrelevanten Bereich zulassen oder konkret verbieten?
  4. Die FBB behauptet, dass nicht entscheidend sei, ob eine Norm die Nutzung, Verbauung von Plastikdübeln bei sicherheitsrelevanten Installationen erlaube, sondern, dass die Dübel sicher seien? - Daraus resultiert die Frage, wer denn nun entscheidet ob etwas sicher sei? - Daraus stellt sich die Frage, wer die Zulassung von Dübeln zertifiziert? - Zusätzlich stellt sich die Frage, ob die FBB und die für den Bau des BER verantwortlichen Personen, Manager, Ingenieure prinzipiell akzeptieren, dass Normen Vorgaben sind, die zu beachten sind?
  5. In welchen Objektteilen könnte / ist die Problematik relevant und evident, dass Kabelbefestigungen mit Plastikdübeln, die einem Brand nicht standhalten könnten, verbaut wurden?
  6. Wie viele „Mängel“ schwerwiegender oder mittelschwerer Natur in der Causa „Dübel“ gibt es laut TÜV -Bericht?
  7. Wurden am BER Dübel verbaut, für die es keinen Verwendungsnachweis (also keine Zertifizierung oder bautechnische Genehmigung) für den Bereich gibt, wie er am BER zutrifft? Falls ja, um wie viele Dübel handelt es sich Stand jetzt?
  8. Sind auch nicht-zertifizierte Kunststoffdübel im brandschutzrelevantem Bereich dabei?
  9. Seit wann ist dem FBB bzw. dem TÜV die Problematik mit den nicht zertifizierten Dübeln bekannt?
  10. Warum hat man die nichtzertifizierten Dübel nicht längst vollständig ausgetauscht?
  11. Es sind nicht nur Kunststoffdübel verbaut worden. Auch Schlaganker aus Metall. Auch diese haben angeblich keine Zertifizierung für die Verwendung im brandschutztechnisch relevanten Bereich. Sie gelten angeblich als wesentlicher Mangel. Frage: Ist das korrekt? Falls ja, wie viele sind es und wo genau wurden die nichtzertifizierten Dübel eingesetzt - nur im Bereich der FE-Trassen in Kombination mit Kalk-Sandstein (KSS) oder weitergehend. Falls weitergehend: wo, wie viele?
  12. Sind alle unzertifizierten Dübel mittlerweile entdeckt, gezählt und dokumentiert? Kann ausgeschlossen werden, dass noch welche hinzukommen?
  13. Nach vertraulichen Informationen des prüfenden TÜV, wurden nur Stichproben genommen, so dass es durchaus noch „unkontrollierte“ Areale in den Bauabschnitten geben könnte? Frage: Ist dem so?
  14. Wo genau im Flughafen wurde in Fundamenten, Wänden und Decken das Baumaterial Kalk-Sandstein verbaut? In welchen Bauteilen und Geschossen konkret? Gibt es eine Größenordnung bzgl. laufender Meter oder m² an Wänden? Wenn das unbekannt sein sollte, dann bitte eine Größenordnung: z. B. vereinzelt oder größtenteils bei den Zwischenwänden im BER?
  15. Trifft es zu, dass Kalksandstein als Baumaterial in und für Sonderbauten nicht als Baumaterial klassifiziert und/ oder zugelassen ist, das im Bereich der Unterteilung von Brandabschnitten zugelassen ist?
  16. Welche DIN oder sonstige Norm regelt die Frage der Baumaterialien für Sonderbauten in Brandabschnitten?
  17. Sollte KSS nicht zugelassen sein stellt sich die Frage, wie weiter. Wird in Erwägung gezogen, die Zwischenwände aus Kalk-Sandstein zu entfernen und diese durch andere Materialen zu ersetzen?
  18. Falls ja, in welchem Umfang, wie lange wird das dauern?
  19. Angeblich weiß die FBB nicht, welcher Kalk-Sandstein im BER - zum Beispiel im Medienkanal verbaut wurde. Also welche Qualitäten vorliegen. Ist das korrekt? Falls ja, warum ist das so?
  20. Gibt es neben den Zwischenwänden auch Decken, die aus Kalk-Sandstein sind? Falls ja, wo und in welcher Dimension? Wurden diese auch unzertifiziert gedübelt, liegen hierfür also ähnliche Dübelproblematiken wie bei den Wänden vor?
  21. Was war das Motiv, solches Baumaterial mit dieser Dübelproblematik für den BER zu verwenden?
  22. Ist Ihnen bekannt, ob ein Bauherr für eine Großbaustelle in Deutschland in der Vergangenheit eine Art behördliche Sondergenehmigung für unzertifizierte in brandschutzrelevanten Bereichen eingesetzte Dübel erhalten hat?
  23. Lässt es der TÜV zu, dass der WPP trotz wesentlicher Mängel z.B. im Dübelbereich, durchgeführt wird? Falls ja, warum? Werden die wesentlichen Mängel im WPP-Bericht des TÜV festgehalten. Bedeutet das dann, dass der WPP unerfolgreich, weil mangelhaft war?
  24. Die FBB ließ laut Hannoverischer Allgemeiner Zeitung vom 12.4.2019 verlauten, dass: „…entscheidend sei nicht die Norm, sondern dass die Dübel sicher seien. Das Nachweisverfahren hierzu sei gerade in Arbeit…..“ Daraus resultiert die Frage, welches „Nachweisverfahren“ gerade in Arbeit sei? Wo? Seit wann? Bei wem?
  25. Hat die FBB, die Landesregierung, eine Landesbehörde oder ein Bauunternehmen eine „nachträgliche“ Zertifizierung der „illegal“ verwendeten Plastik- und Metallbügel beantragt? Wenn ja, wer? Wenn ja, bei welcher Stelle?
  26. Zieht die Landesregierung Brandenburg oder die zuständige Ministerin eine Ministererlaubnis, als nachträgliche Zertifizierung, für die der „illegal“ verwendeten Plastik- und Metallbügel am BER im Sinne einer LEX BER in Erwägung? Wurde das im Kabinett diskutiert? Soll das vor einer Ministerentscheidung im Kabinett diskutiert werden? Ist das überhaupt möglich? Wenn ja, wer trägt im „Ereignisfalle“ die Verantwortung und Haftung, sollten sich daraus in der Zukunft Haftungs- und Regressfragen entwickeln? Haftet dann das Land Brandenburg als Land / Staat mit der Steuerkasse, oder persönlich der / die handelnden Personen / Minister(in)? Daraus stellt sich die Frage ob eine Einzelperson, die ggf. eine solche Ministererlaubnis erteilt, überhaupt den Haftungsumfang abdecken kann, wenn dies ggf. später im Ereignisfall (Vgl. Love-Parade) von Gerichten als fahrlässig oder grob fahrlässig bewerte wird? Wer haftet dann?


Antworten

Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt::

Vorbemerkung der Landesregierung:

Der Landesregierung sind nicht alle, für die Beantwortung der Fragen erforderlichen Informationen bekannt. Da sie gleichwohl bemüht ist, dem Fragesteller umfassend Auskünfte zu geben, hat sie die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH um Stellungnahme zu den Fragen gebeten. Die hierzu erteilten Auskünfte sind in die nachfolgende Beantwortung eingeflossen.

Zu Frage 1:

Plastikdübel auch für sicherheitsrelevante Installationen zu verwenden, ist grundsätzlich nicht unzulässig. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Verwendung regelkonform erfolgt und für diesen konkreten Anwendungsfall eine Zulassung vorliegt bzw. beschafft werden kann.

Zu Frage 2:

Bei den Typen BXRfix und BXRLfix des Herstellers Berner handelt es sich um Kunststoffdübel als Mehrfachbefestigung von nichttragenden Systemen in Beton und Mauerwerk.

Zu Frage 3:

Es gibt keine DIN oder sonstige Vorschrift, die Nutzung und Verbauung von Kunststoffdübeln im sicherheitsrelevanten Bereich zulassen oder konkret verbieten. NachAngaben der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) ist der Verbau von Befestigungsmaterialien zum einen europäisch in der ETA (Europäischen Technischen Bewertungen) und zum anderen auf nationaler Ebene durch das DIBT (Deutsches Institut für Bautechnik) geregelt.

Zu Frage 4:

Es wird darauf hingewiesen, dass Zulassungen nicht zertifiziert, sondern erteilt werden. In Brandenburg ist das Zulassungssystem wie folgt verteilt: Das Deutsche Institut für Bautechnik erteilt eine allgemeine Bauartgenehmigung nach § 16a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BbgBO bzw. eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nach § 18 Abs. 1 BbgBO. Das Landesamt für Bauen und Verkehr erteilt eine vorhaben-bezogene Bauartgenehmigung nach § 16a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BbgBO bzw. eine Zustimmung im Einzelfall nach § 20 BbgBO. Prüfstellen erteilen gem. Anerkennung ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis nach § 19 Abs. 2 BbgBO. Normen, die Bestandteil der Technischen Baubestimmungen sind und damit bauaufsichtlich eingeführt wurden, sind verbindlich zu beachten.

Zu Frage 5 bis 13 sowie 22 bis 25: Wegen ihres Sachzusammenhangs werden diese Fragen zusammen beantwortet.

Aktuell enthalten die erteilten Verwendbarkeitsnachweise (in diesen Fällen handelt es sich um Europäisch Technische Bewertungen) für die verwendeten Dübel in Mauerwerk keine Tragfähigkeiten unter Brandbeanspruchung. Im Vergleich zu Dübeln in Beton, für welche die Verwendbarkeitsnachweise auch Tragfähigkeiten unter Brandbeanspruchung enthalten, ist die Problematik im Bereich Mauerwerk aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Mauersteine komplexer, aber lösbar. Daher können auf Antrag auch für Dübel in Mauerwerk Verwendbarkeitsnachweise mit Tragfähigkeiten unter Brandbeanspruchung erteilt werden.
Ein Antrag auf vorhabenbezogene Bauartgenehmigung für Kunststoff- und Metalldübel ist bisher beim Landesamt für Bauen und Verkehr des Landes Brandenburg nicht eingegangen. Es liegt lediglich eine Anfrage vor.
Nach Angaben der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) wurde eine Liste der Mängel erstellt, die entsprechend der getroffenen Priorisierung (1, 2a, 2b) abgearbeitet werden, so dass die Wirkprinzipprüfungen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben durch die übergeordneten Prüfsachverständigen wie vorgesehen im Sommer 2019 beginnen können.

Zu Frage 14:

Nach Angaben der FBB wurde das Material Kalksandstein für die Errichtung von tragenden und nichtragenden Mauerwerkswänden verwendet und grundsätzlich in allen Geschossen verbaut.

Zu Frage 15:

Nein. In den bauordnungsrechtlichen Vorschriften werden nur materielle Anforderungen an den Feuerwiderstand und das Brandverhalten von Bauteilen gestellt.

Zu Frage 16-18: Die Fragen werden aufgrund ihres Sachzusammenhanges zusammen beantwortet.

Es gibt keine DIN oder sonstige technische Regel, die die Frage der Baumaterialien für Sonderbauten in Brandabschnitten regelt. Für die Wahl der Baumaterialien maßgeblich ist der Nachweis des Feuerwiderstandes des jeweiligen Baumaterials. Die Frage der Verwendung von Kalksandstein stellt sich daher nicht, soweit die bauordnungsrechtlichen Anforderungen nachgewiesen sind.

Zu Frage 19:

Nach Angaben der FBB ist die Aussage falsch.

Zu Fragen 20 und 21:

Nach Angaben der FBB gibt es keine Decken aus Kalksandstein.

Zu Frage 26:

Eine LEX BER gibt es nicht und wird auch nicht in Erwägung gezogen.


Originaldokumente

Drucksache 6/11336 Anfrage

Drucksache 6/11600 Antwort

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